Samstag, 8. November 2014

Mittwoch, 1. Oktober 2014

Eine Reise ins Elsass

 Aus Hambuger Abendblatt  28.03.2017
Die Förde Reederei Seetouristik bietet von Mai an tägliche Verbindungen. HVV-Tickets gelten aber nicht.
Hamburg. Es ist eine Nachricht, an die viele in den Elbvororten nicht mehr geglaubt haben. Doch das lange Ringen vor und hinter den Kulissen hatte durchschlagenden Erfolg. Blankenese bekommt seine Fähranbindung zurück. Wie das Abendblatt exklusiv erfuhr, soll spätestens von Mai an täglich ein Schiff zwischen St. Pauli-Landungsbrücken und den Elbvororten pendeln. Möglich macht das ein privates Unternehmen. Mit der Förde Reederei Seetouristik (FRS) haben die Blankeneser einen Partner gefunden, der es anscheinend sehr ernst mit dem Projekt meint.
Fünfmal pro Tag wird das Schiff in Blankenese anlegen
Denn die FRS plant gleich zu Beginn nicht nur eine tägliche, sondern auch ganzjährige Verbindung. "Wenn wir etwas machen, dann packen wir es auch richtig an", sagt FRS-Geschäftsführerin Birte Dettmers auf Abendblatt-Anfrage. Vier- bis fünfmal pro Tag wird das Schiff zwischen dem Hamburger Hafen und Blankenese pendeln und dabei auf dem Rückweg am Anleger Teufelsbrück stoppen. Eine Rundfahrt von den St. Pauli-Landungsbrücken bis Blankenese und zurück wird 18 Euro kosten. Für Vielfahrer sind laut DettmersSo sieht das neue Fährschiff aus, das bald auf der Elbe schippern wird
Foto: FRS / HA/FRS
Am kommenden Wochenende soll das dafür vorgesehene Schiff von Rügen aus zum neuen Heimathafen Hamburg übergeführt werden. 240 Passagiere kann die "Seebad Juliusruh" transportieren. Das Schiff, das einst zur Reederei Kipp gehörte, verfügt über ein großes Freideck. Laut Dettmers ist zusätzlich Platz für bis zu 50 Fahrräder. Einige Details sind allerdings noch zu klären, deshalb kann Dettmers den genauen Starttermin nicht benennen. "Am liebsten so schnell wie möglich. Aber spätestens im Mai geht es los", verspricht sie. Zuvor hatte das Unternehmen den Markt und das Potenzial genau analysiert. "Wir glauben an das Projekt", so Dettmers.
Anwohner und Fans kämpfen seit Langem
Die städtische Fährgesellschaft Hadag hatte im Jahr 2005 den Verkehr auf der Nieder­elbe eingeschränkt. Seither kämpfen Anwohner und Fans der Fährlinie darum, dass wieder an die alten Zeiten angeknüpft wird. Vor einigen Jahren gründete sich deshalb eine Initiative aus Anwohnern, Politikern, Prominenten sowie zahlreichen Vereinen und Verbänden, die sich vehement für einen Linienverkehr bis Wedel und Cranz einsetzt. 2014 schuf die Hadag mit dem Elb-Hüpfer wieder ein Angebot. Allerdings verkehren die Schiffe nur im Sommer und nur am Wochenende. Die Rundfahrt vom Hafen bis nach Wedel kostet 30 Euro. Eine Erweiterung des Angebots schloss die Hadag aus.
Für viele Anwohner und Mitglieder der Initiative war das zu wenig. Sie kämpften weiter, fanden auch Interessenten. Doch die Versuche scheiterten, die Linie wiederzubeleben. Bis der Vorsitzende des Blankeneser Bürgervereins, Jürgen Weber, der das Projekt Elbe-Este-Fähren unterstützt, zusammen mit Fährgeschäftskenner Fritz Kröger den Kontakt zur Förde Reederei suchte. Mit Erfolg. "Wir halten das Projekt für sehr interessant. Blankenese ist auch über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt und wird Besucher anziehen", sagt Dettmers für die Reederei, die von Hamburg aus auch die Verbindung mit dem Katamaran zur Hochseeinsel Helgoland betreibt.
Dettmers und der Förde Reederei Seetouristik ist gelungen, woran einige andere Interessenten zuvor gescheitert waren: einen Anlegeplatz an den viel frequentierten St. Pauli-Landungsbrücken zu bekommen. "Wir haben keinen festen Liegeplatz erhalten", stellt Dettmers klar. Nach langwierigen Verhandlungen einigten sich das Unternehmen und die städtische Hamburg Port Authority (HPA) vielmehr auf einen Kompromiss. Im Rahmen des Gelegenheitsverkehrs werden die Fahrten genehmigt. Das bedeutet für die Reederei: Sie muss sich monatlich die Abfahrtszeiten genehmigen lassen, und der Abfahrtsort kann wechseln.
Mit 100.000 Beförderungen rechnet die FRS pro Jahr
Trotz des enormen Verwaltungs­aufwandes ist Dettmers zufrieden. "Die Hauptsache ist, dass wir ein Schiff der FRS auf der Elbe entlang einsetzen können." Gleichzeitig gibt es bereits Bemühungen vonseiten der Altonaer Bezirkspolitik, der Reederei dabei den Rücken zu stärken. Für die kommende Bezirksversammlung am Donnerstag, 30. März, hat die SPD nun einen dringlichen Antrag zum Thema Fährverbindung nach Blankenese gestellt. Darin fordern die Sozialdemokraten die HPA auf, die Initiative der Reederei schifffahrts- und hafentechnisch zu unterstützen. Zudem soll die neue Fährverbindung auch über städtische Portale mit beworben werden, damit ausreichend Gäste den Weg auf die "Seebad Juliusruh" finden.
Mit bis zu 100.000 Beförderungen rechnet die FRS pro Jahr. Ob sich die Reederei, wenn es gut läuft, auch eine Ausweitung gen Wedel oder Cranz vorstellen kann? "Ja, wir können uns vorstellen, das weiter auszubauen", sagt Dettmers. "Aber erst einmal konzentrieren wir uns jetzt auf Blankenese."
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  1. Eine Reise ins Elsass


Eine Reise ins Elsass

Wir fahren mit dem Bus, denn die Welt ist zu schön, um über sie hinwegzufliegen. So fuhren 46 Blankeneser im September 2014 mit dem Bus ins Elsass. Organisiert von Gigi und Uwe Reger, sowie durchgeführt von der Firma Dehn Touristik.
 Los ging es in aller Herrgottsfrühe vom Blankeneser Bahnhof und nach fast 12 Stunden und 730 Kilometern kamen wir im Hotel Novotel bei Colmar an. Unser Fahrer war Raik Els. Trotz seines nordischen Namens kam er aus Sachsen-Anhalt und war ein richtiger Profi. Man fühlte sich bei ihm gut aufgehoben und es gab kein Problem, das er nicht irgendwie gelöst hätte. So war denn sein Wahlspruch auch: „Alles wird gut“! Das Hotel lag zwischen Flughafen und Autobahn. Aber für eine  angenehmen Nachtruhe kein Hindernis. Eher hatte man mit den französischen Betten Probleme. Eine Besucherritze war bei diesen überbreiten Kingsize-Betten nicht vorhanden. Ein Bettsofa konnte aufgeklappt werden und diejenigen von uns, die die Bettdecke nicht mit dem Partner teilen wollten, konnten auf die Couch umziehen. 
Am nächsten Morgen begann die Stadtführung durch das noch verschlafene Colmar. Wir wurden in zwei Gruppen aufgeteilt und unsere Stadtbilderklärerin – Führerin sollte man nicht mehr sagen – zeigte uns die Altstadt von Colmar. Auch das Geburtshaus von Frederic-Auguste Bartholdi. Den Namen hatte ich noch nie gehört. Ich kenne Bartholdy und der ist in Hamburg geboren und war Musiker und Komponist. Der Colmarer Bartholdi war Bildhauer und hatte gigantische Kunstwerke geschaffen. Z. B. die Freiheitsstatue in New York. Eine kleinere Ausgabe  der Freiheitsstatue stand unweit unseres Hotels. Wunderschöne Bäckerläden und Souvenirshops und feine Restaurants und Cafés reihten sich durch die Altstadt. Sehr schöne Fachwerkhäuser mit Blumenkästen vor den Fenstern. Überhaupt waren überall üppiger Blumenschmuck zu sehen. Auf diese Blumenpracht im öffentlichen Raum waren wir Blankeneser recht neidisch. Unsere Freizeit füllten wir mit einen Besuch des Salon de The am Place de Cathedrale, wo wir uns Flammkuchen miteinander teilten und anschließend irrten wir durch die Stadt, bis wir die Kirche St. Martin fanden, wo der ausgelagerte Isenheimer Altar von Mathias Grünewald zur Zeit ausgestellt war. So kamen wir auch noch pünktlich zur Anlegestelle des kleinen Flüsschens Lauch. Eine angenehme Kahnfahrt auf diesen idyllischen Fluss war pure Erholung, auch wenn man ab und an den Kopf einziehen musste, wenn man unter niedrigen Brücken hindurch fuhr, denn man wollte ja seine Schädelbasis nicht ruinieren. Sehenswert war die Markthalle an der Lauch. Hier gab es Käse, Wein, Brot Früchte und Gemüse leider zu gesalzenen Preisen. Überhaupt waren die Preise höher als in Deutschland. Gegen Abend waren wir rechtzeitig im Hotel und nach dem Abendessen waren wir sogleich aufs Zimmer gegangen. Bis auf eine recht abenteuerlustige Blankeneserin, die in einer eindeutigen Bar recht zweideutige Damen vorfand.
Am Tag darauf war der Bus mit uns frühzeitig am Bahnhof Colmar und wir harrten auf unsere  Reisebegleiterin Sabine. Die uns an diesem Tag die Vogesen und Dörfer und Städte ihrer elsässischen Heimat erklären sollte. Nachdem unser Fahrer Raik Els – immer perfekt im weißen Hemd, Krawatte und Sakko gekleidet – die Sabine wohl aus dem Bett geklingelt hatte, kam die recht junge Dame vollkommen verschwitzt angerannt. Unter tausend Entschuldigungen versuchte sie in unsäglichem Deutsch uns ihre Heimat zu erklären. Behalten habe ich nur einen Napoleon den XIII. und daß Wilhelm der II. 1871 zum Kaiser gekrönt wurde. Ihr Aussage die Kuhe mühen avancierte bei uns zum Spruch des Tages. Hoch oben auf dem Bergeshöhen der Vogesen war eine Käserei, die wir besichtigen sollten. Ziegen wurden hier gezüchtet und sehr schöner Ziegenkäse wurde noch in Handarbeit hergestellt. Wir ließen einen Diavortrag über uns ergehen. Wir wissen nun alles über die Aufzucht von Ziegen. Von der Geburt bis zum gewaltsamen Tod durch wilde Wölfe.  Der Vortrag wurde in französischer Sprache gehalten und von Sabine übersetzt und von Irmi Rietdorf in verständliches Deutsch korrigiert.Die Käseprobe wurde uns von den Bauersleuten auf einer Messerspitze dargeboten. Das Mittagessen nahmen wir in einer Pizzeria in Geràrdmer ein. Wir waren uns selbst überlassen, denn unsere Sabine weigerte sich, uns diese bekannte lothringische Touristengemeinde zu erklären. Wir lustwandelten am See entlang. Hier war die Sommersaison  schon vorbei, obwohl das Wetter immer noch herrlich warm war.
Das schönste Dorf in Frankreich ist Eguisheim an der elsässischen Weinstraße. Komplett erhaltener mittelalterlicher Stadtkern mit vielen Fachwerkhäusern mit überreichlichem Blumenschmuck. Viele Winzer haben hier ihre Kellereien. Beim Winzer Bruno Hertz waren wir zu einer Weinprobe eingeladen, obwohl die Weinlese im vollen Gange war. Hier wurde der Wein  großzügig ausgeschenkt. So wurde denn auch Wein von uns eingekauft.
Der Pädagoge Herr Walter war recht eigenwillig angezogen. Sandalen ohne Strümpfe, ein Schal wild um den Hals geschlungen und eine große Reisetasche über die Schulter gehängt, so empfing uns unser neuer Reiseleiter an der Peripherie  der Altstadt in Straßburg. So einen Lehrer hätte ich in der Schulzeit auch gern gehabt. Kompetent und voll Anekdoten erzählte er uns von der Geschichte Straßburgs. In das gewaltige Münster führte er uns so rechtzeitig, dass wir vor der Mittagspause auch noch die astronomische Uhr besichtigen konnten. Hoch oben der Tod hielt seine reichliche Ernte, wie zu jeder vollen Stunde. Ein hochkomplexes Kunstwerk, das sich mir nur bruchstückhaft erschloss. Nachmittags war eine Schifffahrt auf der Ill angesagt. Das war eine gemütliche Sache. Wir saßen in einen weißen Kahn und die Altstadt glitt an uns vorbei. Die schicken Glaspaläste der Europäischen Behörden und politischen Instanzen wurden von uns pflichtschuldig bewundert. Sahen wir doch erstmalig, wo die vielen Gelder für die EU hin wandern. Das Altstadtviertel  „Petite France“ erreichten wir nach dem Passieren von Schleusen. Die Sonne meinte es sehr gut mit uns. Sehr schönes Wetter für Ende September..Abends speisten wir im Restaurant Chaine d`or. Riesige bunte Schüsseln mit Bäckeroffe. Ein Gericht mit allerlei Fleisch, Kartoffeln, Wurzeln und sonstiges Gemüse und übergossen mit Rotwein. Wir waren begeistert und fröhlich.
Eine hochmoderne Straßenbahn sollte uns zum Bus bringen. Das ziehen der Fahrkarte und das Entwerten am Automaten dauerte länger als die eigentliche Bahnfahrt.
Am nächsten Morgen waren wir in Kaysersberg. Auch ein Ort mit sehenswerter Altstadt. Verzweifelt suchten wir das Geburtshaus von Albert Schweitzer. Wir rannten uns die Hacken ab. Konnten aber nur ein Denkmal und das Museum Albert Schweitzers finden. Dafür hatten wir mit einigen liebenswürdigen Damen und Herren gesprochen, die uns den Weg zeigen wollten.
In dem bekannten Touristenort Riquewihr war reges Leben wie in der Drosselgasse in Rüdesheim weiter drunten auch am Rhein. Auch ein „schönstes Dorf in Frankreich“, wegen ihres unversehrten Stadtbildes aus dem 15. Jahrhundert. Hier bekamen wir die 88 jährige Winzerin Marianne Hartmann als Stadtbilderklärerin. Eine außergewöhnliche Frau. 1926 im seit sechs Jahren wieder französischen Elsass als Deutsche geboren. Die Deutschen waren die Feinde. Sie durfte kein französisch sprechen. Sie ging von 1933 bis1940 auf eine französische Schule. Ab 1940 ging sie auf eine deutsche Schule und durfte nicht französisch sprechen. Sie machte das deutsche Abitur 1944 und 1945 wurde das Elsass wieder französisch und man erkannte das deutsche Abitur nicht an. Sie heiratete und bekam 6 Kinder. Lernte LKW fahren und fuhr Busse. Sie kauften verwildertes Land und machten es urbar und bauten Wein an. Später war sie Lehrerin  und jetzt Stadtführerin. Sie machte ihre Sache gut. Sie ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. So erzählte sie, dass ein Buch über den Isenheimer Altar in Form eines Zwiegespräches zwischen Ihr und Grünewald erschienen war und jetzt vergriffen ist.
Die große Klosteranlage Saint Odile krönt den fast 800 m hohen Odilenberg am Ostrand der Vogesen. Die Aussicht ging bis zum Schwarzwald. Drei Nonnen und vier Mönche leben hier noch in der gewaltigen Klosteranlage. Etliche Kapellen sind zu besichtigen. Immer sind hier Beter zu finden, um Tag und Nacht Gebete zu sprechen. Wir wollten mehr irdischen Genüssen frönen und zu Mittag essen. Meine Frau bekam den letzten Salat und ich noch einen Kaffee. Das Geschirr wurde nicht abgeräumt. Man hatte wohl schon Feierabend gemacht.
Um 17 Uhr waren wir auf der Hochkönigsburg zur Besichtigung  mit Führung angemeldet. Also runter vom Odilenberg und wieder rauf auf dem Vogesenkamm. Der unvergessene letzte Deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte eine verfallene Burgruine  geschenkt bekommen und die Burg im Stil des 15. Jahrhundert restaurieren lassen. Eigentlich sollte uns die Reiseführerin Sabine an diesem Tag begleiten, aber da war nun jeder von uns dagegen und so hatten wir auf der Hochkönigsburg eine freundliche Führerin, die mit Humor und Sachverstand die Burg erklärte  Eine gewaltige Kanone stand hoch oben und wurde hoffentlich nie abgefeuert.
120 Kilometer fuhren wir mit dem Bus zum Jardine de la Ferme in Uttenhofen. Ein bezaubernder Garten in einem unscheinbaren Dorf. Das Dorf wirkte wie ausgestorben. Bei der Rückfahrt auf der Autobahn Straßburg – Paris wurde uns das dreigängige Dehn Touristik – Menü gereicht. Knackwurst,Senf und Brot. Auf der Raststätte stolzierte ruhigen Schrittes ein Weißstorch und tat sich gütlich an den Essensresten, die ihm von barmherzigen Reisenden hingeworfen wurde. Er hatte wohl den Abflug seiner Artgenossen nach Südafrika verpasst und es vorgezogen den Herbst und den kommenden Winter hierzubleiben. Warum sollte er auch 8000 Kilometer fliegen, wenn er hier mühelos von den Abfällen leben kann.
In Schlettstadt hatten wir wieder eine Führerin, die uns durch die Altstadt  führte.  Sehenswert waren die schönen Fenster der Kirche. Einige von uns seilten sich während der Führung ab und ließen es sich in einem Gartenrestaurant gut sein. Der Rest unserer Truppe trudelte nach und nach auch ein.
An den letzten Tag ging es wieder heimwärts. Ohne Maleschen fuhren wir den gleichen Weg auf denselben Autobahnen wieder nach Blankenese zurück. Um kurz nach sieben Uhr kamen wir an und mit viel Hallo verschwand jeder in Richtung nach Hause.
Eine interessante Reise bei wunderbaren Wetter und guter Laune der Gruppe hatte ihr Ende gefunden. Bedanken möchten wir uns bei Gigi und Uwe für die Mühewaltung  dieser Fahrt ins Elsass.
Heiner Fosseck

Donnerstag, 6. März 2014

Segeln: Jugendwanderkutter damals und heute


 

28.04.2012
Kutter sind mehr oder weniger das Gegenteil des üblichen “Segler-Klischees”.
Von Heiner Fosseck. Nur wenig mehr können den Ruhe und Einsamkeit suchenden Stadtmenschen, der das Segeln als Kontrast zu seinem alltäglichen Umfeld betreibt, von einer Horde Kutter – Russen“ trennen, die lärmend und auf ständiger Suche nach Abwechslung jedweder Art wie eine Heimsuchung in „sein“ Refugium einbrechen. Dann ist schnell das eigentlich Verbindende übersehen, kein Auge mehr für das interessante Fahrzeug entwickelt, mit dem jene da nebenan gerade unterwegs sind: der Jugendwanderkutter`.
So beschreibt Ulrich Körner, ein wohl leidgeprüfter Segler, seine Erfahrungen mit den Besatzungen der Jugendwanderkutter auf der Elbe.
Sicher ist das Geschichte und es handelt sich um Einzelfälle. Ebenso wie der im Fahrwasser der Elbe treibenden Segelkutter, dessen Mannschaft fröhlich mit Bierflaschen zur Brücke eines großen Frachters hinauf winkten und die Schiffsführung zu einem Ausweichmanöver zwang (so berichtet von einem Elblotsen). Oder gegenüber Jugendkuttern ausgesprochene Hafenanlaufverbote. Jetzt konnte der Vorsitzende des Blankeneser Segel-Clubs in der Club-Zeitung mitteilen , dass ältere Mitglieder des Vereins mit Herz für Kutter und einer traditionellen Kutterausbildung sich der Instandhaltung der Jugendkutter und der Mannschaften annehmen.
Wie war das denn früher mit dem Jugendkutter und den jugendlichen Mannschaften auf der Elbe gewesen?
In grauer Vorzeit, kurz nach dem letzten Kriege, also um 1950 herum, gab es schon wieder oder immer noch Jugendwanderkutter im Blankeneser Segel Club. Ich kann mich erinnern, dass man nach Gutsprache von Grete Tetzen bei Theodor Tetzen erscheinen musste, der mich 10 jährigen Bengel nach einigen Ermahnungen in den Blankeneser Segel Club aufnahm. Der Jahresbeitrag lag bei DM 4,25, den meine Eltern schweren Herzens entrichten mussten. Eingereiht wurde ich in die jüngste Jugendmannschaft. Die Kutterführer waren Walter Vehstedt und Heino Pohl. Im alten Clubhaus, wo der legendäre Mathias von Appen, als Bootsmann das sagen hatte, haben wir Seemannschaft gepaukt. Palstek und Schotstek kann ich noch heute mit geschlossenen Augen knoten.
Die Kutter waren aus Holz und mussten jährlich von Grund auf überholt werden. Da mussten alle mit ran. Da wurde mit Verve geschruppt und geschliffen und Farbe gewaschen, dass das Blut unter den Fingernägeln heraus quoll und manche Mütter fragten sich wohl, warum der Bengel sich zuhause vor der Hausarbeit drückte. Die Kutter lagen winters vor dem Bootshaus aufgebockt und von Mai bis September hart an der Fahrwasserlinie in der Elbe an einer Boje bei der Bootsvermietung Breckwoldt. Mit dem Segeln war es am Anfang nichts. Da musste erst rudern oder ruxen geübt werden. Das schwere Boot wurde von zwei mal fünf Ruderern gerudert und wehe, wenn mal der Riemen im Wasser unterschnitt, dann wurde gleich angefragt, ob man Krebse fangen möchte oder der paddelt ja wie ein Hamburger. Vor dem Blankeneser Bulln und dem Bootshaus musste besonders exakt gerudert werden. Blamieren wollte man sich möglichst nicht. Da standen auch die Eltern und Verwandten und sahen sich an, was der Sprössling bis dato gelernt hatte. Gerudert wurde zur Kirschenzeit nach Neuenschleuse und in den alten Kirschenbäumen am Deich konnte man zum Ärger der Obstbauern die gesamte Kutterbesatzung in die Bäume klettern sehen.
In der Sommerzeit ging es zum Baden nach Meyers Sand und zurück merkwürdigerweise oft an einem verwunschenen Nacktbadestrand an der Südseite von Meyers Sand vorbei.
Die Eltern waren froh, dass ihr Söhne und Töchter Mitglied im BSC waren, wussten sie doch ihre Kinder dort gut aufgehoben.
Ich bekam nach einiger Zeit einen blauen Pullover mit einem weißen und roten Streifen und eine rot-weiß-blaue Pudelmütze. Die Clubfarben des BSC. Man fühlte sich dazu gehörig und ein ehemaliges Jugendkuttermitglied hatte später in ihren Lebenslauf geschrieben: Mitglied in der Jugendmannschaft im Blankeneser Segel Club.
Endlich durfte auch gesegelt werden. Die Kutter wurden von vier Mann an die Innenkannte des Bulln verholt und dann mussten beide Masten mit Segeln und Takelage herumgetragen werden. Zwei Masten wurden eingesetzt und die Wanten gespannt und das Persenning , Schlafsäcke und alle privaten Utensilien mussten untergebracht werden. Einige hatten sogar Federbetten mit. Gesegelt wurde ab Sonnabend um die Mittagszeit nach Lühe oder Neuenschleuse. Je nachdem, wie die Tide war. Am Bord waren bis zu 12 Mann. Jeder hatte seine Aufgabe. Einer an der Fock oder am Großsegel und die anderen mussten auf der hohen Kante sitzen oder das Schwert bedienen und aufklaren.
Geschlafen wurde unter einem großen Persenning, dass zeltartig zwischen den Masten und dem Segelbaum gespannt wurde. Darunter war es urgemütlich. Geschlafen wurde auf alten Schwimmwesten aus Kapok auf den Lahmbrettern. Bevorzugt waren die Plätze auf der Back und natürlich in der “Küchenbude” achtern. Unangenehm war es, wenn es regnete, Da durfte man nicht an das Persenning kommen, dann tropfte es gnadenlos auf die Schläfer.
Es wurden Kutteregatten gesegelt. Die Hamburg – Cuxhaven Regatta war schon eine Herausforderung. Es ging so richtig zur Sache. Da wurde gnadenlos das Boot auch durch die Nacht geknüppelt und dann auch noch gegen die Tide an,dann kam auch viel kaltes Wasser ins Boot. Darunter litten meistens die Jüngsten, denn die saßen vorne und bedienten die Fock.
Jährlich gab es einen Kutterwettkampf im Mühlenberger Loch. Ein Dreieckkurs wurde abgesegelt und auch Knotenkunde mussten die Mannschaften können. Einmal im Jahr in den großen Ferien gingen die Kutter auf große Ostseetour. Da wollten natürlich alle mit. 1955 war beim weißen Kutter „Kapitän Dreyer“ das Ruderblatt gebrochen und Heino Pohl und Mathias von Appen schafften es in einigen Tagen aus einer dicken Eichenbohle ein neues Ruderblatt zu zaubern und die Ostseetour des „Dreyers“ konnte doch am nächsten Sonnabend starten. Der Schatzmeister des Vereins brauchte damals nicht belästigt werden. Dann kamen noch zwei große Kisten an Bord. Darin befanden sich nautische Geräte und Kochgeschirr und weitere Ausrüstung. Wir schliefen zwischen dem Schwertkasten links und rechts zu zweit. Eine drangvolle Enge.
Durch den Nord-Ostseekanal wurden wir von einem hilfswilligen Schipper mit seinem Schiff durchgeschleppt.
Auch wenn wir sonntags auf der Elbe von Glückstadt nach Blankenese zurück rudern mussten, winkten wir einem langsamen Kahn mit dem Tampen, der uns freundlicherweise meistens mitnahm. Da das Schiff oft nicht abstoppte, musste man höllisch aufpassen, dass die Schleppleine nicht riss.
So war das Anfang der 50er Jahre bei den Jugendkuttern. Viele der bekannten Blankeneser Segler haben damals auf den Kuttern das Segeln und die Seemannschaft erlernt. Es gab damals viel weniger Boote auf der Elbe und die sonstigen Freizeitangebote waren doch oft arg eingeschränkt. Dass kleine Kinder heute mit den Dingis segeln , davon konnte man damals nur träumen. Die Freizeitangebote sind heute so vielfältig, so dass sich Jugendliche kaum noch entscheiden können, ob sie für das Segeln im Jugendwanderkutter noch Zeit haben. Dass ein 16 jähriges Mädchen in Pumps zum Segelunterricht kommt und erklärt, dass sie wenig Zeit hätte, da sie gleich zum Geigenunterricht müsste, ist hoffentlich ein Einzelfall gewesen.
Im Jahre 2009 wurde das zweite norddeutsche Jungseniorentreffen unter dem Motto: „60 Jahre Kutterzirkus“ in Schulau veranstaltet und viele der alten und nicht so alten „Kutterrussen“ waren dabei.
Die Kutterflotten sind geschrumpft. Viele Segelclubs haben gar keine Jugendkutter mehr. Der ehemalige Elblotse Klaus Schade hat ein Motto: Nicht kritisieren! Besser machen! Die Jugendkutter und ihre Mannschaften im BSC sind bei ihm jetzt in guten und erfahrenen Händen.
Diese „alten Zeiten“ des Jugendkutters sind sicherlich inzwischen passé, aber dennoch gibt es auch heute noch Klubs, in denen diese Segelgemeinschaften mit Jugendkutter gepflegt werden. „ Unsere Jugendlichen segeln mit der “Kersten Miles” einem Jugendwanderkutter auf der Elbe und bei der Sommerfahrt auch auf der Ostsee“ heißt es beispielsweise bei der Segelkameradschaft Hansa: www.sk-hansa.de/html/jugendwanderkutter.html
Der Segelclub Vegesack will interessierten Jugendlichen die Gelegenheit geben, traditionelle Seemannschaft, sowie die maritime Traditionen der Region kennen zu lernen. Unser wichtigstes “Handwerkzeug” ist hierbei der Jugendwanderkutter Vegefeuer.Mehr dazu unter www.vegesack-maritim.de/mtv/cont/03_jugend.html
Und bei der Segler-Vereinigung Altona-Oevelgönne e.V heißt es: „Kuttersegeln ist etwas ganz besonderes unter den Kutterrussen. Es geht nicht um Geschwindigkeit, oder darum jede Regatta mitzumachen. Die Jugendwanderkutter sind, wie der Name schon sagt, für Touren spezialisiert. Das heißt, dass beim Segeln nicht viel Stress gemacht wird, wie auf Regatten. So lernt man auch schnell neue Häfen kennen, die man bisher noch nicht kannte.
Wer hier neu einsteigen oder einmal mitsegeln will, ist herzlichst willkommen. Die Altersunterschiede sind auf den Kuttern uninteressant. Von 14 bis 21 Jahren darf jeder dabei sein. Segelerfahrungen sind nicht erforderlich (aber natürlich vorteilhaft). Falls die noch nicht da sind, werden diese dir schnell beigebracht. Sobald du dabei bist, wirst du schnell aufgenommen, lernst schnell viele neue und nette Leute kennen (auch von anderen Kuttern). Wir segeln fast jedes Wochenende mit Kuttern zusammen.
Das Wichtigste für uns beim Kuttersegeln ist, dass wir Spaß dabei haben. Und das garantieren wir auch. Kutter sind mehr oder weniger das Gegenteil des üblichen “Segler-Klischees”. Wir leben quasi abseits der Spießig- und Pingeligkeit und genießen das Leben an der frischen Luft auf der Elbe.
In den Hamburger Sommerferien machen wir jeden Sommer mit mehreren Jugendwanderkuttern eine Sommertour, die abwechselnd nach Århus oder Kopenhagen geht. Diese Sommertouren gehen vier ganze Wochen lang, aber die Zeit vergeht wie im Flug. Hinzu kommt auch manchmal eine zweiwöchige Herbsttour in den Hamburger Herbstferien, die einem auch viel Spaß bereitet bei trotzdem manchmal minderen Temperaturen.
Kuttersegeln ist auch nicht ganz nutzlos. Besonders fördert das Kuttersegeln die Selbständigkeit, man wird schnell selbstbewusster, lernt im Team zu arbeiten und das Verantwortungsbewusstsein steigt auch. Nicht zu allerletzt fördert es vielleicht auch die Kochkünste, denn irgendwann ist jeder einmal mit der Backschaft dran.
Meist sind wir mit den Kuttern Lühesand (WSC Lühe, 3), Neumühlen (SVAOe, 12), Roland von Wedel (SVWS, 17), Kersten Miles (SKH, 20), Finkenwerder (TuS, 26), Nordwest (JKN, 32), Möwe von Köhlfleet (SCOe, 39) auf der Elbe unterwegs. Mehr dazu unter mail@]svaoe.de
Jugendkutter werden auch heute noch gebaut, als klassisches Ausbildungsboot im modernen Gewand. DerRumpf besteht dabei aus Kunststoff, wie beispielsweise bei www.bootswerft-peterknief.de. Um das traditionelle Aussehen zu erhalten, werden Setzbord, Decks, Duchten und Masten in bester Bootstradition aus Holz gefertigt.
Der nach klassischem Vorbild gebaut Zweimast-Kutter wird in Segelvereinen besonders im Bereich der Jugendarbeit eingesetzt und ist für die Ausbildung in Binnen- und Küstengewässern geeignet. Der Jugendwanderkutter erfreut sich bei Vereinen nach wie vor großer Beliebtheit.

Ein Kommentar

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Hallo Herr Fosseck,
da kriege ich ja richtig nostalgisch glänzende Augen. Ihre Beispiele habe ich auch alle so erlebt und noch einiges mehr, als ich von 1964 bis ca. 1970 beim Mühlenberger SC Kutter gesegelt habe. Jeden Sonntag abend habe ich mich gefragt, warum ich die Strapazen (und es waren wirklich welche) auf mich nehme und jeden Freitag nachmittag bin ich wieder losgezogen.
War eine schöne Zeit – danke für den Artikel.



Blankeneser Hauptstraße ca 1963