Mittwoch, 2. Januar 2013

Eine Werbefahrt nach Halvesbostel



Eine Werbefahrt nach Halvesbostel

Für den Freitag vor Pfingsten hatten wir, Helmut Wichmann  und ich, uns für eine Fahrt mit Tombola, Musik und Tanz angemeldet. Wir wollten den Ablauf so einer Werbefahrt selber mal erleben. Zuhauf bekommt man solche Einladungen täglich per Post ins Haus geschickt.
Morgens um 7.30 kommt ein Bus der Firma Tholen aus Friesoythe und sammelt uns an dem Blankeneser Bahnhof ein. „ Setz Dich hin! Den Namen brauch ich nicht“, sagt der Fahrer und dann kutschieren wir zwei Stunden durch den vorpfingstlichen Verkehr  der westlichen Vororte von Hamburg und sammeln die Mitfahrer ein. Die Hälfte der angemeldeten Mitfahrer ist nicht erschienen und in dem großen Bus verlieren sich etwa 25 Gäste.
Die Fahrt geht in das 700 Seelennest Halvesborstel bei Hollenstedt am Südrand der Lüneburger Heide. Im Saal des Gasthof Tödter ist gedeckt. Hier gibt es Frühstück. In der Einladung stand: Das Frühstück wird kostenlos reserviert und kostenlos serviert. Also jeder bezahlt das Frühstück selber und natürlich auch das Mittagessen.
Es gibt eine Bühne und eine Leinwand, sowie eine große Musikanlage. Auf einem Tisch sind diverse Flachbildschirme, Videorecorder, Telefone und sonstiges aufgebaut.
Ein weiter Bus hat auch noch Gäste angebracht, so sind etwas 55 Zuhörer im Saal, die meistens hoch betagt, und die sicherlich nicht auf der Sonnenseite des Daseins leben.
Ein etwa 48 jähriger  Redner, stellt sich, wenn auch erst kurz vor Schluß der Veranstaltung, als Mitglied der Geschäftsführung der Firma Güldenmoor GmbH vor. Andre Schubert ist der Name und er wäre der Urenkel von dem Komponisten Franz Schubert, was so nicht stimmen kann. Zuerst werden wortreich Reisen von einem Busunternehmen WTI angepriesen. Zwei Stunden redet Andre Schubert.. Seine Mutti und Vati sind gerne mit WTI gefahren. Dann wird plötzlich entrüstet geschrie n, dass man ihm einen Vogel gezeigt hätte und er keine Lust habe sich von einigen Gästen beleidigen zu lassen. Tatsächlich hatte niemand hier derartiges getan. „Hallo, nette Dame, ich rede mit Ihnen. Warum schauen sie mich nicht an, wenn ich mit ihnen rede“, wird eine ältere Zuhörerin eingeschüchtert. Jeder kreuzt Reisen auf einem Vordruck an, die er machen möchte und dann wird man aufgerufen und in Einzelgesprächen von den drei Mitarbeitern zu den Reisen überredet. Man bekommt auch einen Gutschein über eine kostenlose dreitägige Reise in den Thüringer Wald. „Das ist doch ein Applaus wert. Wer möchte diese kostenlose Reise machen. Finger hoch!“ Und brav gehen alle Hände hoch. Ein Gast erzählt mir später, dass diese Reise auch nicht kostenfrei ist. Reiserücktrittversicherung 22 € und Mautgebühr 20€ für den Bus und die Verpflegung muss auch extra bezahlt werden.
Nach dem Mittagessen wird zweieinhalb Stunden über  ein Produkt des Pharmaunternehmen Güldenmoor  referiert. Geriamol  Hightech Mehrphasen Jahrespackung kostet 1738 € in der Apotheke. Er könnte das Produkt zum Fabrikabgabepreis 900 € anbieten und darauf noch 20 % Skonto. Vorher hat er ununterbrochen seine Schau abgezogen. Er erzählt von den vielen Krebstoten in Deutschland und wir nehmen zu viele Tabletten, die doch nicht wirkten und ein Fernsehbericht wird gezeigt, der letztendlich beklagt, wie viel die Pharmaindustrie an den unnötigen Arzneien verdient. „Merken sie überhaupt, wie gut sie hier beraten werden? Mann, es ist doch so einfach. Wenn jetzt der Groschen nicht fällt. Wenn sie nicht wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind, dann gehen sie auf die Toilette und sehen nach“, wird ein 80 Jähriger angeblafft, der eine Frage stellte. „Dankeschön für ihren Applaus“. „Krebs tut nicht weh“, werden wir belehrt und dann folgen schreckliche klinische Einzelheiten über die verschiedenen Krebsarten und die bösen Folgen von Zuckerkrankheiten und uns wird suggeriert, dass man mit der Investition in Geriamol seine Gesundheit erhalten oder wieder herstellen kann. Diplome von dem  schweizerischen Wissenschaftler  Kern, der  angeblich zwei Nobelpreise bekommen hat, werden hochgehalten.
„ Wollen sie gesund bleiben? Wissen sie, wie viel Glück sie haben, hier so gut von mir informiert zu werden?“ Und dann werden wieder die Menschen einzeln aufgerufen und dann wird dieses Produkt an dem Mann gebracht.
Der ausgelobte garantierte Gewinn entpuppt sich als Rubbellos und niemand gewinnt auch nur einen Pfennig.
Von 11 – 16 Uhr haben 55 Zuhörer ununterbrochen bei herrlichsten Wetter in diesen öden Saal des Gasthofs Tödter ausgeharrt und haben diesem „Andre Schubert“ zuhören müssen, der jetzt schnell zum Flieger nach Basel muss und dem Publikum werden noch „Kleinteile“ angeboten, denn die Busfahrt kostet ja auch, wird uns unverblümt mitgeteilt. Brav werden Dosen mit Hautcremes und dergleichen für 14,90 € erstanden und eine junge Mitarbeiterin will am 09.09.2009 um 9.09 Uhr heiraten und so runden die Verkäufer den Preis auf 15 € auf, damit die Dame die Pfennige für die Brautschuhe zusammen bekommt.
Am Ende bekommt jeder, der etwas gekauft hat, eine Tüte mit Knäckebrot, Billigwurst  usw.
Von den ausgelobten Preisen vorne auf der Bühne, wie Videorecorder  und Flachbildschirmen von Sponsoren wie Olympus, ist nie wieder die Rede. Meine Frage, was denn nun mit den Sponsorenpreisen ist, wird dahin beschieden, dass niemand nach vorne gekommen ist und nun ist es zu spät.
Steif und mit brummenden Schädel, durch das lange Wortgewitter des „Andre Schubert“, verlassen wir den Saal und klettern erleichtert in den Bus, der uns durch die endlosen Staus auf der Autobahn wieder nach Hamburg zurückbringt.
Fazit: Nie wieder fahren wir mit einer sogenannten Werbefahrt. Hier wird Schindluder mit meist alten und einfachen Menschen getrieben, die von hinten bis vorne belogen und enttäuscht werden. Aber eigentlich hat die Mehrheit der Gäste auch nichts anderes erwartet und wollten nur einen Tag aus ihren tristen Alltag entkommen.
 Heiner Fosseck

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