Eine Werbefahrt nach Halvesbostel
Für den Freitag vor Pfingsten hatten wir, Helmut
Wichmann und ich, uns für eine Fahrt mit
Tombola, Musik und Tanz angemeldet. Wir wollten den Ablauf so einer Werbefahrt
selber mal erleben. Zuhauf bekommt man solche Einladungen täglich per Post ins
Haus geschickt.
Morgens um 7.30 kommt ein Bus der Firma Tholen aus
Friesoythe und sammelt uns an dem Blankeneser Bahnhof ein. „ Setz Dich hin! Den
Namen brauch ich nicht“, sagt der Fahrer und dann kutschieren wir zwei Stunden
durch den vorpfingstlichen Verkehr der
westlichen Vororte von Hamburg und sammeln die Mitfahrer ein. Die Hälfte der
angemeldeten Mitfahrer ist nicht erschienen und in dem großen Bus verlieren
sich etwa 25 Gäste.
Die Fahrt geht in das 700 Seelennest Halvesborstel bei
Hollenstedt am Südrand der Lüneburger Heide. Im Saal des Gasthof Tödter ist
gedeckt. Hier gibt es Frühstück. In der Einladung stand: Das Frühstück wird
kostenlos reserviert und kostenlos serviert. Also jeder bezahlt das Frühstück
selber und natürlich auch das Mittagessen.
Es gibt eine Bühne und eine Leinwand, sowie eine große
Musikanlage. Auf einem Tisch sind diverse Flachbildschirme, Videorecorder,
Telefone und sonstiges aufgebaut.
Ein weiter Bus hat auch noch Gäste angebracht, so sind etwas
55 Zuhörer im Saal, die meistens hoch betagt, und die sicherlich nicht auf der
Sonnenseite des Daseins leben.
Ein etwa 48 jähriger
Redner, stellt sich, wenn auch erst kurz vor Schluß der Veranstaltung,
als Mitglied der Geschäftsführung der Firma Güldenmoor GmbH vor. Andre Schubert
ist der Name und er wäre der Urenkel von dem Komponisten Franz Schubert, was so
nicht stimmen kann. Zuerst werden wortreich Reisen von einem Busunternehmen WTI
angepriesen. Zwei Stunden redet Andre Schubert.. Seine Mutti und Vati sind
gerne mit WTI gefahren. Dann wird plötzlich entrüstet geschrie n, dass man ihm
einen Vogel gezeigt hätte und er keine Lust habe sich von einigen Gästen
beleidigen zu lassen. Tatsächlich hatte niemand hier derartiges getan. „Hallo,
nette Dame, ich rede mit Ihnen. Warum schauen sie mich nicht an, wenn ich mit
ihnen rede“, wird eine ältere Zuhörerin eingeschüchtert. Jeder kreuzt Reisen
auf einem Vordruck an, die er machen möchte und dann wird man aufgerufen und in
Einzelgesprächen von den drei Mitarbeitern zu den Reisen überredet. Man bekommt
auch einen Gutschein über eine kostenlose dreitägige Reise in den Thüringer
Wald. „Das ist doch ein Applaus wert. Wer möchte diese kostenlose Reise machen.
Finger hoch!“ Und brav gehen alle Hände hoch. Ein Gast erzählt mir später, dass
diese Reise auch nicht kostenfrei ist. Reiserücktrittversicherung 22 € und
Mautgebühr 20€ für den Bus und die Verpflegung muss auch extra bezahlt werden.
Nach dem Mittagessen wird zweieinhalb Stunden über ein Produkt des Pharmaunternehmen
Güldenmoor referiert. Geriamol Hightech Mehrphasen Jahrespackung kostet 1738
€ in der Apotheke. Er könnte das Produkt zum Fabrikabgabepreis 900 € anbieten
und darauf noch 20 % Skonto. Vorher hat er ununterbrochen seine Schau
abgezogen. Er erzählt von den vielen Krebstoten in Deutschland und wir nehmen
zu viele Tabletten, die doch nicht wirkten und ein Fernsehbericht wird gezeigt,
der letztendlich beklagt, wie viel die Pharmaindustrie an den unnötigen
Arzneien verdient. „Merken sie überhaupt, wie gut sie hier beraten werden? Mann,
es ist doch so einfach. Wenn jetzt der Groschen nicht fällt. Wenn sie nicht
wissen, ob sie Männlein oder Weiblein sind, dann gehen sie auf die Toilette und
sehen nach“, wird ein 80 Jähriger angeblafft, der eine Frage stellte. „Dankeschön
für ihren Applaus“. „Krebs tut nicht weh“, werden wir belehrt und dann folgen
schreckliche klinische Einzelheiten über die verschiedenen Krebsarten und die bösen
Folgen von Zuckerkrankheiten und uns wird suggeriert, dass man mit der
Investition in Geriamol seine Gesundheit erhalten oder wieder herstellen kann.
Diplome von dem schweizerischen
Wissenschaftler Kern, der angeblich zwei Nobelpreise bekommen hat,
werden hochgehalten.
„ Wollen sie gesund bleiben? Wissen sie, wie viel Glück sie
haben, hier so gut von mir informiert zu werden?“ Und dann werden wieder die
Menschen einzeln aufgerufen und dann wird dieses Produkt an dem Mann gebracht.
Der ausgelobte garantierte Gewinn entpuppt sich als
Rubbellos und niemand gewinnt auch nur einen Pfennig.
Von 11 – 16 Uhr haben 55 Zuhörer ununterbrochen bei
herrlichsten Wetter in diesen öden Saal des Gasthofs Tödter ausgeharrt und
haben diesem „Andre Schubert“ zuhören müssen, der jetzt schnell zum Flieger
nach Basel muss und dem Publikum werden noch „Kleinteile“ angeboten, denn die
Busfahrt kostet ja auch, wird uns unverblümt mitgeteilt. Brav werden Dosen mit
Hautcremes und dergleichen für 14,90 € erstanden und eine junge Mitarbeiterin
will am 09.09.2009 um 9.09 Uhr heiraten und so runden die Verkäufer den Preis
auf 15 € auf, damit die Dame die Pfennige für die Brautschuhe zusammen bekommt.
Am Ende bekommt jeder, der etwas gekauft hat, eine Tüte mit
Knäckebrot, Billigwurst usw.
Von den ausgelobten Preisen vorne auf der Bühne, wie
Videorecorder und Flachbildschirmen von
Sponsoren wie Olympus, ist nie wieder die Rede. Meine Frage, was denn nun mit
den Sponsorenpreisen ist, wird dahin beschieden, dass niemand nach vorne
gekommen ist und nun ist es zu spät.
Steif und mit brummenden Schädel, durch das lange Wortgewitter
des „Andre Schubert“, verlassen wir den Saal und klettern erleichtert in den
Bus, der uns durch die endlosen Staus auf der Autobahn wieder nach Hamburg
zurückbringt.
Fazit: Nie wieder fahren wir mit einer sogenannten Werbefahrt.
Hier wird Schindluder mit meist alten und einfachen Menschen getrieben, die von
hinten bis vorne belogen und enttäuscht werden. Aber eigentlich hat die
Mehrheit der Gäste auch nichts anderes erwartet und wollten nur einen Tag aus
ihren tristen Alltag entkommen.
Heiner Fosseck
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