Der Lebensmittelladen Carl Wichmann in Blankenese
Wenn
man den Süllbergsweg von der Ecke Hauptstraße/ Eiland hochsteigt, kann man
linkerhand im Schulten Immenbarg, früher Westerweg, noch die Schaufenster des
um 1970 geschlossenen Lebensmittelladens Carl Wichmann sehen. Feinkostfirma und
Kolonialwarenhandlung so nannte Carl Wichmann sein Geschäft. Seit 1855 wurden
hier von der Familie Wichmann, von Generation zu Generation, Lebensmittel und
Dinge des täglichen Bedarfs verkauft.
Der
1881 geborene Carl Wichmann, ein gelernter Einzelhandelskaufmann, stand sein
ganzes Berufsleben, teilweise mit seinem Sohn, bis ins hohe Alter in seinem
kleinen Laden.
Die
Kundschaft war in der angrenzenden Nachbarschaft am Süllberg und Treppenviertel zuhause. Entweder ging man zu
Wichmann oder zu Johannes Klindwordt in der Hans-Lange-Str. Das war immer eine
Glaubensfrage für die Kunden und wenn jemand fremd ging, war Carl Wichmann sehr
verstimmt. Das war bald wie Fahnenflucht.
Carl
Wichmann hielt seinen Laden bis spät abends offen. In staubgraue oder
braungelbe Kittel unkleidsam bekleidet stand Carl Wichmann von morgens bis
abends im Laden. Nur zur Mittagszeit war das Geschäft geschlossen.
Seine
Kunden hatten auch ihre Eigenheiten. Die menschenscheue Frau Göbel von
gegenüber huschte immer kurz vor 19 Uhr in den Laden und sonntags konnte Carl
Wichmann nicht sein Mittagessen einnehmen, wenn Frau Fehrs noch nicht da
gewesen war, denn die kam immer Sonntagmittag hinten rum und kaufte die
vergessenen Streichhölzer.
Er
litt sein ganzes Leben an Migräne.
Deshalb trug er immer einen Elbsegler auf dem Kopf und im Hochsommer, wenn eine
Mütze nun wirklich nicht angebracht war, wickelte er sich ein Band um seinen
Schädel, um die Kopfschmerzen zu lindern.
Abgepackte
Sachen gab es bei Carl Wichmann nicht. Ja, er verkaufte sogar literweise
Petroleum aus dem Faß, denn 2 Häuser Am Eiland, früher Sandberg, hatten damals
noch kein elektrisches Licht. Butter wurde auch aus dem Faß verkauft. Wenn er
ein halbes Pfund Butter mit 2 gerillten Holzschaufeln abwog und kunstvoll in
die rechte Form klatschte waren wir Kinder immer fasziniert. Auch als es dann
abgepackte Butter gab, wurde bei Carl Wichmann Butter lose verkauft und alle
Kundschaft war zutiefst überzeugt, dass die lose Butter von Wichmann viel besser
schmeckt, als diese neue Fabrikbutter. “Dann bin ich ja nur noch Verkäufer,!“
sagte der alte Carl Wichmann. Manchmal liebte er es, seine Kunden zu veräppeln.
„Halben Liter Essig ,damit kann ich nicht mit dienen. Der ist gerade sauer
geworden.“
Der
Tresen hieß damals Tonbank und das wichtigste Utensil war die große Waage mit
den Messingschalen. Hinten im Laden war ein riesiger Schrank mit vielen
Holzschubladen. Dort waren die verschiedensten Artikel, wie Graupen, Gries,
Zucker braun und weiß u.s.w.
Alles
wurde per Hand abgewogen. Ruhig und umständlich wurde Mehl in blaue rechteckige
Tüten gefüllt. Mehl, dass vom Müller Ihlenfeld mit Pferd und Wagen von der
Mühle am Schierenholt sackweise angeliefert wurde. Wenn der Müller Ihlenfeld
nur für Wichmann einen Sack Mehl zu liefern hatte, dann schonte er seine alte
Mähre Lotte und nahm den Zentner Mehl auf dem Knast und trug ihn vom Kösterberg
eben mal runter zu Carl Wichmann am Süllberg. Zucker wurde in rosa Spitztüten
abgefüllt. Guter Bohnenkaffee 100 grammweise auch in kleine Tüten. Der Kaffee
war in 5 großen Glaskästen. Im Fenster der Glaskästen waren die jeweiligen
Kaffeebohnen zu sehen. Der Kaffee wurde in einer großen trichterförmigen
Kaffeemühle gemahlen. Die teureren Sorten Kaffee wurde von der Kundschaft nur
zu besonderen Anlässen, wie zur Konfirmation oder wenn nach dem Krieg der Sohn
oder Vater aus Russland aus der Gefangenschaft zurückkam, gekauft.
Einen
Eisschrank gab es in dem angrenzenden Kellerraum auch schon. Das Eis für den
Eisschrank wurde mit Pferd und Wagen stangenweise von der Elbschlossbrauerei
angeliefert.
Der
Aufschnitt wurde sorgfältig und für uns Kinder quälend langsam von einer langen
Mettwurst, von der erstmal die Pelle restlos mit der Messerspitze entfernt
wurde, abgeschnitten. Überhaupt hatten wir kleiner Kinder einen schweren Stand,
denn wir hätten ja wohl genügend Zeit und erstmal kommt Frau Bohn und Frau
Lütgen, die müssen noch Mittagessen kochen und ihr wollt doch nur für 5 Pfennig
Klumpenlollis. Mettwurst, feine und grobe, Leberwurst feine und grobe, Jagd-
und Blutwurst. Damit ist der Wurstaufschnitt aufgezählt. Genau wie beim Käse:
Schweizer-, Tilsiter -, Edamerkäse, Harzer und Camembert. Kein Vergleich mit
den 25 m langen innenbeleuchteten, gläsernen Kühltheken mit Hunderten von Käse-
und Wurstsorten, Salaten, Antipasti bei Feinkost-Kröger in der Blankeneser
Bahnhofstraße von heute.
Carl
Wichmann war mit halb Blankenese verwandt. Ob es ein Lotse am Strandweg, ein
Kapitän von der Blankeneser Landstraße oder die Buchhandlung Bröer in der
Bahnhofstraße oder der Glaser Raupert in der Hans-Lange-Straße oder der Friseur
Witt in der Hauptstraße 6 war. Überall sind Wichmann Abkömmlinge oder es war
eingeheiratet worden.
Im
84. Lebensjahre starb 1965 Carl Wichmann und das sind nun auch schon 40 Jahre
her. Einen Lebensmittelladen gibt es im Hanggebiet schon lange nicht mehr.
Heiner
Fosseck
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