1. Tag.
Fahrradreise durch Ostdeutschland
BahnHamburg
–Wittenberge
Wittenberge
- Havelberg
Morgens
regnet es. Es ist windig und kühl an diesem Osterdienstag 2012 als ich mein
schwer bepacktes Rad die 42 Meter den Blankeneser Hang hoch schiebe. Bei der
Tanke lasse ich meine Reifen auf 6 Atü aufpumpen. Durchnässt komme ich am
Blankeneser Bahnhof an. Am Hauptbahnhof habe ich noch Zeit, um bei Tchibo mein
Guthaben des Handys aufzuladen und gegenüber in der Bank wird mein Barbestand
erhöht.
Über Schwerin
fahre ich nach Wittenberge an der Elbe. Diese Stadt habe ich in trauriger
Erinnerung. Aber die schrecklichen Ruinen, die schon mal als Filmkulisse
dienten, sind verschwunden. Alte Fabrikgebäude an der Elbe sind zu Gaststätten,
Hotels oder Seniorenheimen verwandelt worden. Die Stadt wirkt immer noch leer,
obwohl in den letzten Jahren viel restauriert und renoviert wurde. Eine neue
Elbbrücke überquert den Fluss und der schreckliche Kopfsteinpflasterweg ist
verschwunden und alles ist perfekt ausgeschildert und so finde ich den
Elberadweg auf Anhieb.
45 Kilometer
sind es bis Havelberg. Das Storchendorf Rühstedt befindet sich immer noch im
Winterschlaf. Keine Menschen und auch keine Störche sind zu sehen. Wer weiß, wo
die sich rumtreiben.
Unweit von Rühstedt kommt man durch eine noch leere Datschensiedlung
und dann geht es über ein Sperrwerk auf eine Halbinsel, zwischen Elbe und
Havelkanal und Havel. Hier lässt es sich auf dem Deich recht gut fahren, zumal
der Wind achterlich ist. Hier ist Natur pur. Alles fängt an zu grünen. Nur die
großen Bäume noch nicht. Viele Vögel zwitschern und hoch oben am Himmel
schnattern Gänse. Ab und zu mache ich Rast. Der Regen hat aufgehört. Ich horche
in mich hinein.
In Havelberg
angekommen, fahre ich über eine elegante neue Bogenbrücke in die Altstadt. Die
gefährlich enge Eisenbrücke ist verschwunden. In der Altstadt finde ich meine
Unterkunft von 2004 wieder. Immer noch werden die Fahrräder in einem völlig
verkommenen abbruchreifen Altstadthaus untergebracht.
Mein
Spaziergang führt mich durch die Altstadt und hoch die Treppe hinauf zum
riesigen Dom von Havelberg. 1000 Jahre sehen auf mich herab. Unmengen von
Krähen fliegen wie seit eh und je lauthals krächzend um das backsteinerne Westwerks
des Doms.
Im Kloster ist
eine gute Dame bereit, obwohl es schon nach sechs Uhr abends ist, für mich und
einem Ehepaar noch einmal eine Führung durch den Dom zu machen. Der Dom
romanisch begonnen und gotisch beendet, macht durch die schiere Höhe und Größe
großen Eindruck auf uns. Gelernt habe ich auch, woher der Ausdruck „ Die Klappe
halten“ kommt. Im Domgestühl mussten die geistlichen Herren oft stehen. Die
Sitzklappe sollte mit dem Po festgehalten werden, da sonst die hölzerne
Sitzklappe lautstark runter knallt. Zur Erleichterung des Stehens der
Geistlichen gab es den „Misericordium“, einen hölzernen faustgroßen Sitzknauf.
Ja, auf so einer Reise kann man noch was lernen.
Ich sitze
abends noch lange in der Altstadtinsel auf einer Bank an der Havel.
Das Leben ist
schön.