Freitag, 4. Mai 2012






10. Tag. Fahrradreise durch Ostdeutschland
BAHN Görlitz – Dresden
Dresden - Meißen
Sämtliche Glocken in der Innenstadt von Dresden läuteten, als ich um 12 Uhr aus dem Hauptbahnhof von Dresden trat. Hier vor dem Bahnhof habe ich jahrelang ein tiefes großes Loch gesehen, dass jetzt aber mit Tiefgarage, Unterführungen und Kellergeschossen gefüllt ist. Auch die überbreite Pragerstraße hat sich zum Besseren gewandelt. Die schlichten großen DDR-Bauten sind jetzt Ibis-Hotels und ein unglaublich großes Einkaufszentrum beherrscht die Einkaufswelt. Vor der herrlichen Frauenkirche wurden mir wieder die Augen feucht. Es schiebt sich vor meinem inneren Auge die unselige Trümmerstätte der ausgebrannten Ruine der Frauenkirche. Drei fröhliche Kusinen bat ich, mich vor der Frauenkirche zu fotografieren. Als Arbeitsbescheinigung, dass ich auch in Dresden war.
Ich habe langsam den Eindruck, dass meine Fahrt durch Ostdeutschland immer mehr zu einer Art Pilgerreise wird. Dazu trägt wohl auch bei, dass ich als abendliche Bettlektüre „Dat ni Testament för plattdütsch Lüd“ lese. Naja, eigentlich nur die Apostelgeschichte.
Mit dem Rad durch „das“ Dresden, wo man mit dem Auto nicht hindarf. Fürstenzug, Semperoper, Hofkirche und Zwinger u.s.w. Die Stadt bordet über von Touristen aus allen Herren Ländern. Hier gibt es auch kaum Leerstände. Kneipen, Gaststätten in einer Vielzahl, die westdeutsche Städte in den Schatten stellen. Dresden und Berlin sind in. Diese Städte muss man wohl gesehen haben. Immer will ich nach rechts die Elbe runter radeln, aber diesmal fahre ich über die alte Brücke nach Dresden-Neustadt, um links in Richtung Meißen zu fahren. Eine junge Dame im schreiendbunten Surfer-Outfit bitte ich mich zu fotografieren, mit dem „Canaletto-Blick im Hintergrund. Die steht dafür nicht mal von ihrer Bank auf. Auf dem Elberadweg ist schon viel Betrieb. Radlergruppen ohne Ende. Der Radweg ist sehr aufwändig ausgebaut worden. Eine wunderbare Brückenkonstruktion führt von einer Halbinsel zum Festland zurück. Mein Mittagsmahl besteht aus Blutwurst und Brot, dazu Wasser. Das verzehre ich gemütlich auf einer Bank am Elberadweg.
Nach einigen Stunden komme ich in Meißen an. Auch diese schöne Stadt ist komplett saniert. Unterkunft bekomme ich in einer Art „Best exotic Marygold-Hotel“ in der Burgstraße in Meißen. Ein Inder, dem diverse Gaststätten und Häuser in Meißen gehören, hat in einem barocken Gebäude drei Zimmer zu vermieten. Mein Zimmer ist im zweiten Stock. Die überbreite steinerne Treppe kann man mit einem Esel raufreiten. Die Wände sind einen halben Meter dick. Die Decke ist etwa 3,40 m hoch. Das Zimmer ist dramatisch kalt und die Heizung ist vollkommen überfordert. Ich ringe die Hände, aber leider habe ich den guten Mann schon 47 € für die Übernachtung bezahlt. Wie sich heraus stellt, hat der gute Mann mir das Zimmer als Doppelzimmer ohne Frühstück in Rechnung gestellt. Was heißt hier Rechnung, nicht mal eine Quittung habe ich bekommen. Nur den Schlüssel! Abends sitze ich in einer uralten Gaststätte „Im Fuchsloch“. Hier klöne ich mit einem Pensionär der Porzellanmanufaktur Meißen. Er war Former für die Gipsformen von Tellern und Tassen. „Meißen“ ist nach der Wende gut über die Runden gekommen. Die können wohl jeden Preis durchsetzen, meint er.
Um 22 Uhr kehre ich in mein kaltes Loch zurück und hoffe, dass ich über Nacht nicht erfriere.
Das Leben ist schön.
Heiner Fosseck

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