Freitag, 4. Mai 2012



1.       Tag. Fahrradreise durch Ostdeutschland
BahnHamburg –Wittenberge
Wittenberge - Havelberg
Morgens regnet es. Es ist windig und kühl an diesem Osterdienstag 2012 als ich mein schwer bepacktes Rad die 42 Meter den Blankeneser Hang hoch schiebe. Bei der Tanke lasse ich meine Reifen auf 6 Atü aufpumpen. Durchnässt komme ich am Blankeneser Bahnhof an. Am Hauptbahnhof habe ich noch Zeit, um bei Tchibo mein Guthaben des Handys aufzuladen und gegenüber in der Bank wird mein Barbestand erhöht.
Über Schwerin fahre ich nach Wittenberge an der Elbe. Diese Stadt habe ich in trauriger Erinnerung. Aber die schrecklichen Ruinen, die schon mal als Filmkulisse dienten, sind verschwunden. Alte Fabrikgebäude an der Elbe sind zu Gaststätten, Hotels oder Seniorenheimen verwandelt worden. Die Stadt wirkt immer noch leer, obwohl in den letzten Jahren viel restauriert und renoviert wurde. Eine neue Elbbrücke überquert den Fluss und der schreckliche Kopfsteinpflasterweg ist verschwunden und alles ist perfekt ausgeschildert und so finde ich den Elberadweg auf Anhieb.
45 Kilometer sind es bis Havelberg. Das Storchendorf Rühstedt befindet sich immer noch im Winterschlaf. Keine Menschen und auch keine Störche sind zu sehen. Wer weiß, wo die sich rumtreiben.
Unweit von  Rühstedt kommt man durch eine noch leere Datschensiedlung und dann geht es über ein Sperrwerk auf eine Halbinsel, zwischen Elbe und Havelkanal und Havel. Hier lässt es sich auf dem Deich recht gut fahren, zumal der Wind achterlich ist. Hier ist Natur pur. Alles fängt an zu grünen. Nur die großen Bäume noch nicht. Viele Vögel zwitschern und hoch oben am Himmel schnattern Gänse. Ab und zu mache ich Rast. Der Regen hat aufgehört. Ich horche in mich hinein.
In Havelberg angekommen, fahre ich über eine elegante neue Bogenbrücke in die Altstadt. Die gefährlich enge Eisenbrücke ist verschwunden. In der Altstadt finde ich meine Unterkunft von 2004 wieder. Immer noch werden die Fahrräder in einem völlig verkommenen abbruchreifen Altstadthaus untergebracht.
Mein Spaziergang führt mich durch die Altstadt und hoch die Treppe hinauf zum riesigen Dom von Havelberg. 1000 Jahre sehen auf mich herab. Unmengen von Krähen fliegen wie seit eh und je lauthals krächzend um das backsteinerne Westwerks des Doms.
Im Kloster ist eine gute Dame bereit, obwohl es schon nach sechs Uhr abends ist, für mich und einem Ehepaar noch einmal eine Führung durch den Dom zu machen. Der Dom romanisch begonnen und gotisch beendet, macht durch die schiere Höhe und Größe großen Eindruck auf uns. Gelernt habe ich auch, woher der Ausdruck „ Die Klappe halten“ kommt. Im Domgestühl mussten die geistlichen Herren oft stehen. Die Sitzklappe sollte mit dem Po festgehalten werden, da sonst die hölzerne Sitzklappe lautstark runter knallt. Zur Erleichterung des Stehens der Geistlichen gab es den „Misericordium“, einen hölzernen faustgroßen Sitzknauf. Ja, auf so einer Reise kann man noch was lernen.
Ich sitze abends noch lange in der Altstadtinsel auf einer Bank an der Havel.
Das Leben ist schön.
Heiner Fosseck


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen