Freitag, 4. Mai 2012


11. Tag. Fahrradreise durch Ostdeutschland
Meißen - Strehla
Das Wetter ist schön und sonnig als ich frühmorgens aus Meißen abfahre. Der kalte starke Wind kommt von vorn.  Gegen diesen Wind komme ich nur langsam und mühsam gegen an.  Von Kleinzadel setze ich mit einer Gierfähre  nach Niedermuschütz über die Elbe. Ich bin der einzige Fahrgast und der Fährpreis beträgt 1,70 €. Vor 10 Jahren kostete das 1 DM. Hier auf der linken Elbseite ist ein sehr schöner Radweg und ich schaue lange einem Storchenpaar zu, das hoch oben im Nest auf einem Laternenpfahl sitzend, sich gerade beim Brüten ablöst. In Riesa löffle ich einsam in einer einfachen Gaststätte einen riesigen Pott voller Nudelsuppe. Hier muss man immer froh sein, wenn eine Gaststätte geöffnet hat. Ein ruppiger Radfahrer fährt mich beinahe über dem Haufen, als ich gerade absteigen will. Die üblichen theatralischen Anpöbeleien sind nicht zu vermeiden. Die Leute, die hier noch wohnen haben es auch schwer. In einem Geschäft lese ich „Tapetenleim 1a DDR-Qualität.“ Soll das eine Warnung sein? Am Rande der Stadt Riesa warte ich mit einer Dame 7 Minuten, bis wir endlich über die Straße kommen. „Heil hier über die Straße zu kommen ist wie ein Lotteriegewinn,“ meint sie. Recht hat sie.
Strehla hat eigentlich alles. Ein großes schönes Schloss, das die Adelsfamilie Plugk fast 600 Jahre bewohnte. 1945 war dann Schluss. Eine schöne Kirche mit einem intakten Friedhof um die Kirche. Einen übergroßer Marktplatz mit restaurierten Bürgerhäusern rundherum, aber die große Gaststätte„ Der goldene Löwe“ steht seit mindestens 12 Jahren leer. Eine armselige Bäckerei und eine Sparkasse, das war es dann. Im Internet kann man diverse Restaurants in Strehla entdecken. Aber ich habe mit Schwierigkeiten nur unterhalb des Schlosses „Die Sportklause“ entdeckt. Hier war endlich mal was los. Junge Männer spielten Tischtennis oder kegelten im Souterrain. Hier konnte man gut und preiswert den Abend verbringen.
Die eigentlich erste Begegnung zwischen der Roten Armee und der amerikanischen Streitkräften fand hier in Strehla an der Elbe statt. Ein Offizier und ein paar amerikanische Soldaten paddelten in einem Kahn über die Elbe. Dort trafen sie auf Rotarmisten. Der Wodka floss in Strömen und man verbrüderte sich. Rundherum lagen hunderte von zerfetzten deutschen Leichen. Frauen, Kinder und alte Männer waren ein paar Tage vorher bei einem Artillerieüberfall der Roten Armee hier am Elbeufer umgekommen. Es war nicht angebracht nun hierher Fotografen und Kriegsberichterstatter einzuladen, um das historische Zusammentreffen der beiden Armee zu dokumentieren. Die offizielle Zeremonie fand ein paar Tage später im Beisein hoher Militärs in Torgau statt.
Eisig ist der Wind als ich ins Hotel zurückkehre. Ob ich auf dieser Reise noch mal ohne Pullover, dicken Schal und Windjacke auskommen werde?
Das Leben ist schön.
Heiner Fosseck

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