Freitag, 4. Mai 2012



9. Tag Fahrradreise durch Ostdeutschland
Bad Muskau - Görlitz
Den  Park des Fürsten Hermann von Pückler-Muskau habe ich schnell abgehakt. Fürst Pückler war als tollkühn und rastlos bekannt. Ich kannte den Mann nur als „Erfinder“ des Fürst-Pückler-Eises. Bei der Anlage des Parks hatte sich der gute Mann übernommen und so verkaufte er Schloss, Park und Herrschaft Muskau. Er zog auf sein Schloss Branitz bei Cottbus. Den Erlös aus dem Verkauf von Muskau verwendete er, um das Schloss Branitz  umbauen zu lassen und um erneut einen Landschaftspark nach englischem Vorbild, den heutigen Fürst Pückler Park anzulegen.
Ich radle gegen kalten lebhaften Wind nach Weißwasser und steige am Bahnhof in dem Zug nach Görlitz. Habe ich das nötig, mich den ganzen Tag auf dem Rad abzuquälen? Nein! So bin ich schon um 11 Uhr in Görlitz angekommen. Die Innenstadt von Görlitz wird immer schöner. Alle Gebäude werden denkmalgerecht restauriert. Bunt und wie geleckt sehen die Bürgerhäuser aus. Nur wenige Menschen sehe ich an diesem 18. April hier. Autos sind aus der Altstadt verbannt. Alles wirkt wie ein einziges Freilichtmuseum. Die Touristenströme können kommen. Ich suche mir ein Hotel in der Altstadt. Im „Zum dreibeinigen Hund“ wollten sie mich für eine Nacht nicht haben, so bin ich im „Zum goldenen Engel“ gelandet, der seinem Namen leider keine Ehre machte. Ich war hier der einzige Gast. Ich wandere durch die Altstadt. Rüber über die Neißebrücke in den polnischen Teil der Stadt. Auch hier wurde viel gebaut. Die Uferpromenade ist sehr gelungen und man hat einen schönen Blick auf die Stadt und das Wahrzeichen von Görlitz: die oberhalb der Neiße aufragende, aus einer spätromanischen Basilika hervorgegangene spätgotische Pfarrkirche St. Peter und Paul-Kirche.
Irgendwas hier auf der polnischen  Seite zu kaufen ist wenig interessant. Höchstens Zigaretten gibt es hier billiger. Die Neonreklame einer Pension mit Night-Bar leuchtet sehr aufdringlich und ich hoffe, dass hier nichts Unanständiges feil geboten wird. Die jungen polnischen Mädchen, die auf der Uferpromenade lustwandeln, ziehen sich attraktiver an, als viele junge Frauen in Deutschland. Die laufen teilweise rum, als wenn sie von der Schicht kommen oder in den Krieg ziehen wollen.
Zurück in der Altstadt komme ich an dem riesigen Sandsteingebäude von Karstadt/Hertie vorbei, das in den letzten Jahrzehnten komplett saniert und restauriert worden war und nun seit 2009 leer steht. Ein einziger Jammer. Es ist ein wunderschönes Haus mit einem bunten Glasdach und Treppenaufgängen wie auf einem Ozeandampfer. Ein Billigshop hat hier eine Teilfläche angemietet Wenn hier nicht bald etwas Grundlegendes passiert, sehe ich dieses Haus untergehen. Wasserrohrbrüche in den Pfeilern, Pinkelecken in den Nebeneingängen und natürlich die üblichen Graffitischmierereien an der Fassade sind der Anfang.
Seit Jahren ziehen westdeutsche Rentner nach Görlitz und bewohnen die hübschen Häuser in der Altstadt. Ein pensionierter Polizeibeamter aus Düsseldorf erzählt mir, dass er für 320 € eine Drei-Zimmerwohnung mit Gartenbenutzung bewohnt. „Steht hier den noch viel leer?“ „Ja, überall dort wo keine Gardinen hängen“, ist die Antwort. Viele Rentner ziehen auch schon wieder zurück nach Westdeutschland. Sie fühlen sich hier in der Altstadt nicht heimisch. Er überlegt auch, ob er wieder an den Rhein zurückziehen sollte.
In einer vorzüglichen handwerklich arbeitenden Bäckerei hole ich mir erstklassigen Mohnkuchen. Damit stopfe ich mich voll. Das ist mein Abendessen.
Das Leben ist schön. 
  Heiner Fosseck

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