2. Tag Fahrradreise durch Ostdeutschland
Havelberg - Rathenow
Es regnet
fast den ganzen Tag. Schnurgerade geht der Radweg durch unendliche
Fichtenwälder und weite flache Wiesen an der Havel entlang. Weit hinten
trompeten unglaublich viele Kraniche. Sehen kann ich sie nicht, aber hören. Da
ist wohl gerade bei den Kranichen ein Fußballendspiel im Gange. Überall regt
sich Leben. Das zwitschert, röhrt und keckert in einem fort. Ich kann die
meisten Piepmätze nicht ausmachen und bis ich mein Fernglas raushabe, ist
meistens schon alles vorbei.
Am rechtem
Havelufer verirre ich mich und fahre durch so interessante Dörfer wie Lohm mit
seinen verfallenen Gutsherenhäusern und Neustadt an der Dosse, wo ich endlich
merke, dass ich in Richtung Ruppiner Land fahre. Über Rhinow am Rhin, ja, so
einen Fluss gibt es dort, versuche ich mich in Richtung Rathenow
durchzuschlagen. Es regnet so, dass ich in den Dörfern keine Menschenseele
ansprechen kann. Aber unzählige Hunde kläffen mich an und würden mich am liebsten
in Stücke zerreißen. „ Die Köter lieben mich nicht“, rufe ich einer alten Frau
zu, die auf dem Bäckerwagen wartet. Die ließ nur ein schallendes Gelächter
hören. „Wohin wollen Sie, Rathenow? Bei dem Wetter? Dann man tau.“
In der Stadt
Finow ist ein guter handwerklicher Bäcker, wo ich wunderbar Kaffee und Kuchen
bekomme. Warum es hier so eine reichliche Auswahl von Gebäck und Brot gibt ist
mir schleierhaft und richtig, zwei junge Frauen holen Säckeweise Brot und Kuchen für die „Tafel“ ab. Schade
drum! Statt 45 Kilometer habe ich von Havelberg nach Rathenow 75 Kilometer
gefahren. Peinlich! Dafür bekomme ich in Rathenow für 45 € eine gute
Unterkunft. Abends bin ich noch durch
Rathenow geschlendert. Eine Stadt, die am Ende des Krieges sehr gelitten haben muss.
Obwohl man in den letzten Jahren viel wieder hergerichtet hat, sind mitten in
der Innenstadt große Frei- und Brachflächen und gesichtslose DDR Hochhäuser.
Der Einzelhandel darbt auch hier. Penny und Netto sind die Geschäfte, die hier
überleben können. Tröstlich die große Backsteinkirche, die auf einem Hügel über
der Stadt thront. Der Optikpark in Rathenow wird leider erst ab 22. April
geöffnet. Rathenow war „die“ Optikstadt. Jetzt versucht man optische Geräte
hier wieder zu produzieren. Wie zu Dunckers Zeiten wird es wohl nie wieder. Ich
möchte nicht in der Stadtverwaltung Verantwortung tragen. Hier liegt noch viel
in Argen.
Am
Schleusenplatz in Rathenow steht ein pompöses Denkmal vom Kurfürsten Friedrich
–Wilhelm im barockem Stil. Alle seine Kriegstaten sind rundherum aufgeführt und
ER hoch oben als römischer Kaiser zu Pferde. An diesem schönsten Platz von
Rathenow ist in einem Ensemble von Offiziershäusern eine Gaststätte
untergebracht, die wenig zu bieten hat. Dort habe ich eine trostlose Mahlzeit genossen
in einem trostlosen Gastraum. Was könnte man hier draus machen. Aber es fehlen
wohl auch die Gäste.
Das Leben ist
schön.
Ein Gutshaus im Havelland. Die ehemaligen Eigentümer des Gutes haben seit fünf Jahrhunderten bis April 1945 hier gelebt.
Ein Gutshaus im Havelland. Die ehemaligen Eigentümer des Gutes haben seit fünf Jahrhunderten bis April 1945 hier gelebt.
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