Freitag, 4. Mai 2012


13. Tag. Fahrradreise durch Ostdeutschland
Torgau – Wittenberg/ Lutherstadt

Von Torgau nach Wittenberg/Lutherstadt sind es etwa 60 Kilometer. Aber bei dem noch immer vorherrschenden Gegenwind sind das gefühlte 100 Kilometer. Es ist immer noch zu kalt. Auf dem Elberradweg komme ich trotzdem gut voran. Die riesigen Rapsfelder sind jetzt schon sehr gelb aufgeblüht. Das riecht unangenehm. Noch unangenehmer riechen die vielen mit Gülle getränkten Felder. In Dommitsch an der Elbe ist Gottesdienst in der schönen Kirche. Eigentlich findet der Gottesdienst in der geheizten Winterkirche statt. Da der Gottesdienst schon angefangen hat, setze ich mich in die Bankreihen der großen Kirche und höre mir die Predigt mit an. Das mit dem Singen lasse ich nach, denn ohne Gesangsbuch geht das schlecht. Aber das „Vater unser“ kann ich mit beten. Das kommt drinnen in der verglasten Winterkirche gut an. Nach dem Gottesdienst wird geklönt, wo hin, wo her und so. Ich schneide auf und erzähle den braven Leuten, dass ich aus Hamburg komme und über Berlin und Dresden wieder nach Hamburg radele. In einer verräucherten Kneipe in einem von Gott verlassenen Ort esse ich zu Mittag. Lautstark wird hier geknobelt. Ich bin froh, dass hier überhaupt noch Menschen sind.
In Pratau, einen Vorort von Wittenberg gibt es immer noch eine „Straße der DSF.“ Ich frage einen jungen Mann; was das heißt. „Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“, ist die Antwort. Ich wusste schon, was die Buchstaben bedeuten, aber da die Sowjetunion schon seit Jahrzehnten untergegangen ist, hätte man auch hier schon mal eine Umbenennung vornehmen können. Aber vielleicht fühlen sich Bürgermeister und Gemeinderäte in Pratau mit dieser Straße ganz wohl oder gibt es hier noch hundertfünfzig prozentige Stalinisten?
Nach langer Herumfragerei habe ich den Radweg über die Elbbrücke nach Wittenberge gefunden. Einmal über dem Marktplatz und die Mütze vor dem Lutherdenkmal gezogen. Es fängt in Strömen an zu regnen. Das nun auch noch. Ich teile meiner Frau per Handy mit, dass ich heute am Sonntag noch von ihr in den Arm genommen werden möchte.  Ich habe von dem kalten und nassen Wetter endgültig die Nase voll.
Fast sechs Stunden benötigt die Bahn, um mich von Wittenberg nach Blankenese zu bringen. Von Wittenberg nach Röslau. Dort umsteigen. Rad runter vom Bahnsteig, andern Bahnsteig wieder hoch tragen. Röslau – Magdeburg das gleiche aber mit Fahrstuhl. Magdeburg – Ülzen. Umsteigen mit Fahrstuhl. Der Bahnsteig voll mit Leuten mit Wochenendtickets. Mein Rad und ich bekommen gerade noch Platz im Fahrradwagen. Dann endlich im Hauptbahnhof angekommen und rein in die S-Bahn. In Blankenese regnet es als ich im Haus ankomme. Die Fahrt ist glücklich und ohne Blessuren beendet.
Das Leben ist schön.
Heiner Fosseck

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