12. Tag. Fahrradreise durch
Ostdeutschland
Strehla - Torgau
Von Strehla
nach Torgau sind es gerade mal 42 Kilometer. Der Wind kommt von vorn. Es ist
sehr frisch an diesem Morgen. In Strehla sehe ich keinen Menschen. Kein Regen
und Streben ist zu erkennen. Steil geht der Weg am Schloss vorbei. Im
Schlosspark blüht und grünt es. Die Vögel sind sehr munter und ich versuche die
einzelnen Gesänge zu identifizieren. Das gelingt natürlich nicht. Aber es ist
schön, dass wenigsten sich die Vögel regen und um die Wette zwitschern. Das
Schloss hat auch noch geschlossen, so fahre ich mit meinem schweren Rad auf dem
guten Radweg Richtung Torgau. In dem Dorf Weßnig komme ich an Deutschlands
erster Radfahrerkirche vorbei. Die Kirche wird erst wieder im Mai aufgemacht.
Leider haben die auch das Dixiklo neben der Kirche verrammelt. So muss ich
wieder in einer Gaststätte einen Kaffee trinken. Aber ich finde hier in der Diaspora
mal eine Gaststätte die offen hat. Mittags erreiche ich Torgau. In das große
Zentralhotel quartiere ich mich ein. Vor dem Hotel halten ein Panzerspähwagen
und ein Mannschaftswagen mit aufgesessenen jungen Leuten, die auf mich
teilnahmslos herabsehen. „Na, wollt ihr hier wieder in den Krieg ziehen?“ Auf
meine Frage konnten die natürlich nicht antworten. Ich bin froh, dass sie nicht
bewaffnet sind. Hier finden jährlich die Elb-Days statt. Gedenktage anlässlich
der jährlichen Wiederkehr der Tage der Begegnung zwischen Russen und Amis an
der Elbe. Deshalb der matriarchalische Aufzug der jungen Leute vor dem Hotel.
Eine Gruppe alter Veteranen tapert über den großen Torgauer Marktplatz. Die
erzählen sich wohl ihre glorreichen Taten im Weltkrieg II. Mitten auf dem
Marktplatz spielt die „Top Dog Brass Band“.
Eis schleckende Mütter mit ihren Kindern und auf den Bänken sitzende alte
Leute, so auch ich, hören der tollen Musikgruppe zu. Nach ein paar Musikstücken
verkrümelt sich die Band. Der im Programm stehende Umzug zu den Elbwiesen mit
der Band vorweg findet mangels Masse nicht statt. Ich gehe in das benachbarte
Schloss. Im Burggraben leben zwei ausgewachsene Braunbären. Die haben mehr
Auslauf als in Hagenbecks Tierpark. Die erste protestantische Kirche, von
Martin Luther geweiht, befindet sich in der Schlosskapelle und in der
Katharinenstraße Nr. 11 unterhalb des Schlosses, wohnte Katharina von Bora,
Luthers Frau, nach dem Tode ihres Gemahls. Ein Spaziergang durch die Stadt
schließt sich an. Beim Gedenkstein „der Begegnung“ ist ein schönes Restaurant.
„Hier können 100 Leute speisen“, wird groß plakatiert, „ einer nach dem anderen“
wird der Satz komplettiert. „Heute geschlossen“ ist ein Schild an der Tür.
Daneben hat ein Lokal „Wegen OP geschlossen“. Heute geschlossene Gesellschaft
lese ich an einem dritten Lokal. In einem Geschäft für Berufsbekleidung lese
ich ein Schild. „Berufsbekleidung für Gerichtsvollzieher zurzeit ausverkauft.“
Ein chinesischer Imbiss mit Stehtischen und eine schmuddelige Pizzeria sind
geöffnet. Die taffe Leiterin des Zentral-Hotels spricht mich auf der Straße
an:“ Na, haben sie noch nichts gefunden?“ „ Nein, leider noch nichts, “
antworte ich.“In dieser Stadt hält sich keine Gaststätte. Zuwenig Gäste.“ Auch
das große Zentral-Hotel hat keinen Mittags- und Abendtisch mehr, obwohl großer
Gastraum und perfekte Küche vorhanden sind. Schlussendlich lande ich in einer
Wurstbude, die auch Tisch und Stuhl hat. Hier sehen die Gäste ein Fußballspiel
Bayern gegen Madrid glaube ich. Um halb 10 Uhr abends liege ich im Bett und höre das Knattern des Höhenfeuerwerks,
aber da bin ich schon fast eingeschlafen.
Das Leben ist
schön.
Heiner
Fosseck
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